Montag, 28. April 2008 Streckenfluglehrgang III
(von JAN LYCZYWEKH )
Stichworte: Westwind, Steinernes Meer, Rennstrecke Ost, Eisenerzer, Rax, Honigkogel
Time: UTC
10:04 - 10:21 Eine der seltenen Gelegenheiten, tief auszuklinken. Bei Westlagen tritt dieser Bart öfters auf.
10:21 - 10:26 Reichliche Abflughöhe an der Hörndlwand; der Westwind ist am Versatz des Bartes sichtbar.
10:26 - 10:35 Eine eher exotische Stelle. Aus der Gegend des Dürrnbachhorns bieten sich folgende Varianten für den weiteren Abflug:
1.   klassisch über Steinplatte und Ulrichshorn und weiter Richtung Zell am See
2.   die östliche Variante, zunächst zum Ostende der Sonnwendwand (Loferer Alm) und von da aus an die Westseite des Steinernen Meers
Für die erste Variante sind wir hier eigentlich schon zu weit östlich. Dank der großen Ausgangshöhe von 2500 m können wir es uns hier diesmal sogar leisten, die Loferer Alm auszulassen und direkt auf die Ostseite des Loferer Tals an die Westhänge des Steinernen Meers zu gleiten.
10:35 - 10:46 Morgens Westhänge anzufliegen, klingt widersinnig. Tatsächlich kommen die Bärte auf dieser Route auch nicht aus den langen Westhängen der hohen Kalkberge wie Hocheisspitze oder Hundstod, sondern vielmehr aus den Süd- und Südostmulden der vorgelagerten kleinen Waldbuckel, so wie hier schön zu sehen.
10:46 - 10:58 Bei ausreichender Ausgangshöhe an der Westecke des Steinernen Meers (hier: komfortable 2600 m) lohnt es sich, die Kalkwände des Meers zwar zur Streckung der Gleitzahl sorgfältig abzufliegen, sich aber nicht kurbelnd in jedem Heber festzubeißen, sondern konsequent durchzugleiten bis zum nächsten über Gipfel erreichbaren Auslöser. Ein Detail zur Linienwahl: der Westwind verursacht an jeder der nach Süden herausstehenden Rippen jeweils ein schwaches Luv auf der Westseite der Rippe und ein meist ausgedehnteres Lee auf ihrer Ostseite. Deswegen machen wir einen deutlichen Bogen um letztere, anstatt den Flugweg (wie bei Windstille sinnvoll) genau den Höhenlinien folgen zu lassen. Die Gleitzahl auf diesem Gleitstück ist mit 66 denn auch in Ordnung.
10:58 - 11:00 Der Plan ist aufgegangen, der niedrige Buckel („Hochkeil“ heißt er wohl) geht.
11:00 - 11:05 Statistik erste Flugstunde, 12:00 – 13:00:
Zurückgelegte Strecke 64 km, Kurbelanteil 41%, mittleres Steigen 1,7 m/s. Das ist für die erste Flugstunde ein ungewöhnlich guter Schnitt.

Exkurs: Schnittgeschwindigkeit ist nicht gleich Schnittgeschwindigkeit

Wer mit SeeYou arbeitet, wundert sich vielleicht über die zwei unterschiedlichen Schnittgeschwindigkeiten, die für jedes Teilstück errechnet werden. Für den in SeeYou als „Geschwindigkeit“ bezeichneten Wert wird einfach die zurückgelegte Strecke durch die gesamte benötigte Zeit geteilt, im Beispiel also 64 km / 1 h = 64 km/h.
Bei dem als „XC-Geschwindigkeit“ (XC für Cross Country) bezeichneten Wert hingegen wird diejenige Zeit abgezogen, die zum Erkurbeln des auf dem Streckenstück erzielten Höhengewinns benötigt wurde. Im Beispiel betrug der Höhenunterschied von 12:00 bis 13:00 1826 m, ein Höhengewinn, der – so wird angenommen – mit dem mittleren Kurbelsteigen dieses Streckenstückes von hier 1,7 m/s erzielt wurde und demzufolge 18 Minuten dauerte. Die Strecke von 64 km wurde also „eigentlich“ nicht in 60, sondern in nur 42 Minuten bewältigt, so daß die „XC-Geschwindigkeit“ 64 km / 0,7 h = 91 km/h beträgt.
Diese „XC-Geschwindigkeit“ ist sinnvoll, um die Schnittgeschwindigkeit auf verschiedenen Streckenstücke mit stark unterschiedlichen Höhendifferenzen zwischen Anfangs- und Endpunkt zu vergleichen, beispielsweise ein Streckenstück mit Höhengewinn und eines mit Höhenverlust. Die Rechnung ist aber nur aussagekräftig, wenn auf beiden Streckenstücken ausreichend viele und damit in ihren Steigwerten repräsentative Bärte vorkommen. Reine Linienfliegerei ohne Kurbeln, Endanflüge (Abgleiter) oder Strecken mit nur einem besonders starken oder besonders schwachen Bart lassen sich damit nicht aussagekräftig vergleichen.
11:10 - 11:40 Die klassische Rennstrecke über Hochgrindeck, Rossbrand, Scheichenspitze, Stoderzinken, Kammspitze bis zum Grimming, heute mit teilweise weit talwärts versetzter tragender Linie. Man beachte die vielen Schlenker und Schlangenlinien zum Erfliegen der besten Linie.
11:40 - 12:00 Zwischen Grimming und Dürrnschöberl weitet sich das Ennstal bei Aigen und Liezen zu einem ziemlichen Loch. Das lässt sich entweder nördlich entlang des Toten Gebirges umfliegen (Standard), stumpf durchgleiten (doof) oder, wie hier versuchsweise, durch den Wechsel auf die südliche Talseite umgehen.
12:00 - 12:45 Statistik zweite Flugstunde, 13:00 – 14:00:
Zurückgelegte Strecke 108 km, Kurbelanteil 18%, mittleres Steigen 2,5 m/s. Der Rückenwind „schiebt“ nicht nur mit ca. 10 km/h, sondern trägt ähnlich wie die Aufwindlinien auch zu dem sehr guten mittleren Steigwert dadurch bei, dass er die über Grund zurückgelegte Strecke und damit die Auswahl an Bärten vergrößert.

Nördlich des Flugplatzes Trieben schwenke ich hier wieder auf die Rennstrecke der Eisenerzer ein. Bis querab Gößeck sollte der Flugplatz Trieben in Reichweite bleiben, spätestens ab Gößeck nach Osten ist der Flugplatz Timmersdorf erreichbar. Das Gößeck selbst ist ein guter Endpunkt zum Umdrehen, wer weiter nach Osten will, folgt besser der eigentlichen Gratlinie der Eisenerzer zum Eisenerzer Reichenstein und weiter Richtung Hochschwab.
12:45 - 13:37 In der Gegend rund um den Hochschwab gibt es mit Timmersdorf, Lanzen/Turnau, Kapfenberg und Mariazell zwar jede Menge Flugplätze, aber weil viele niedrige Waldhügel die Gleitwege verstellen, muss man sorgfältig mitrechnen, welche Plätze noch erreichbar sind. Hier im Osten sinkt mit dem Gelände auch fast immer die Basis ab, was der Qualität der Thermik und den erreichbaren Schnittgeschwindigkeiten aber meist keinen Abbruch tut.

Wegen des Rückenwindes ist es sinnvoll, die nächste Statistik von 14:00 nur bis zur Wende um 14:45 zu erstellen: Zurückgelegte Strecke 75 km in 45 Minuten, entsprechend 100 km/h, Kurbelanteil 25%, mittleres Steigen nach wie vor 2,5 m/s. Gut, aber der geringfügig erhöhte Kurbelanteil gegenüber der vorigen Stunde schlägt sich sofort im Schnitt nieder.
13:37 - 13:45 Diesen Standardbart auf dem sogenannten „Kalwang-Ausläufer“, einer sich zu der Ortschaft Kalwang hinunterziehenden flachen Waldrippe, sollte man kennen. Mir passiert es jedenfalls häufiger, dass ich, aus der niedrigeren Basis im Osten gegen den Geländeanstieg fliegend, am Eisenerzer Reichenstein von der Gratlinie der Eisenerzer hinunterrutsche. Dann verschafft einem dieser tief anfliegbare Rettungsbart zuverlässig eine zweite Chance zum Einstieg in die Rennstrecke.
13:45 - 13:50 Statistik von der Wende um 14:45 bis zum Kalwang-Bart um 15:45, was praktischerweise exakt dem problematischen Teil dieses Fluges entspricht:
Zurückgelegte Strecke nur noch 61 km (also 61 km/h), Kurbelanteil 44%, mittleres Steigen 1,5 m/s. Man vergleiche die Zahlen mit den auf fast demselben Streckenstück in Gegenrichtung (14:00 – 14:45) erzielten Werten! Gegenwind und ansteigendes Gelände fordern hier bittere Zeitverluste. Die Gleitzahl über Grund beträgt gerade noch 36!
13:50 - 14:20 Dieses Streckenstück entlang der Eisenerzer bis zu ihrem westlichen Eckberg, dem Dürrnschöberl, und dann nördlich um das Liezener Becken herum zum Grimming entspricht der „normalen“ und wohl auch besten Route in dieser Gegend. Auch für den Hinflug dürfte dies – in umgekehrter Richtung – meist die bessere Variante sein.
14:45 - 15:00 Statistik vom Kalwang-Bart um 15:45 bis zum Rossbrand-Bart um 16:45:
Zurückgelegte Strecke 102 km, Kurbelanteil 17%, mittleres Steigen 2,4 m/s, Gleitzahl 60. Offensichtlich läuft es wieder. Interessanterweise scheint der Wind hier plötzlich keine Rolle mehr zu spielen und wenn ich mich richtig erinnere, nahm er gegen Abend wirklich deutlich ab. Außerdem trug zu der guten Reisegeschwindigkeit bei, dass ich auf diesem Stück einem anderen Flugzeug hinterherfliegen konnte, was das Linienfinden sehr vereinfacht und Fehler vermeiden hilft. So kann man meist auch deutlich besseren Flugzeugen eine Zeit lang folgen (hier war es eine LS8/15m ohne Wasser).
15:00 - 16:00 Die nächste Viertelstunde ist genauerer Betrachtung wert: Aus großer Ausgangshöhe von 2950 m finde ich zunächst die Linie nicht und gleite mit McCready-Werten von zunächst 2,0, bald 1,5 entsprechend schlecht: 1:27 auf den ersten 18 km bis zum Schneeberg – das ist exakt die Gleitzahl, die mein Flugzeug in ruhender Luft bei den hier im Mittel geflogenen 140 km/h schafft. Damit ist der Schneeberg der letzte Berg, den ich über Grat erreiche. Blöd nur, dass er nicht geht. Der Fehler: ich hätte den McCready deutlicher reduzieren müssen (Gas stärker zurücknehmen), um zwei Auslöser erreichbar zu halten. Zur Reparatur dieses Fehlers hilft ein wenig Geländekenntnis: anstatt mich nun in den Waldhügeln der Dientener Berge festzubeißen, erinnere ich mich des Honigkogels und seines zuverlässigen Nachmittagsbartes 20 km voraus. McCready zurück auf Schleichfahrt, also 0,5, und konsequent durchgleiten. Man sieht dem Flugweg an, dass ich schon östlich des Hundsteins unter die Grate komme. Den Honigkogel erreiche ich aber noch über der Antenne und kann direkt in den Bart einsteigen. Der liefert knapp 1500 Höhenmeter in 15 Minuten; immerhin. Mit seinen Nachmittagsqualitäten ist der Honigkogel auch ein guter Endanflugbart auf Unterwössen (Entfernung 56 km). Im Prinzip fliege ich von hier aus nun auch heim; die beiden Bärte, die noch folgen (am Kitzbühler Horn und am Zahmen Kaiser) sind eher exotisch und gehören zum Experimentier- und Daddel-Teil dieses Fluges.